Geschichte

Dr. Norbert Baha

„TURNEN ist der Oberbegriff, der weit mehr als leistungsorientiertes Kunst- und Geräteturnen beinhaltet. Er steht für aktive Freizeitgestaltung und umfasst ein umfangreiches Sport-, Spiel- und Freizeitangebot. Neben dem Trend zum Leistungssport bedeutet Turnen auch gesundheitsbewusstes Leben und das Erleben der Geselligkeit.“ ( Jochen Benecke)

Die Gründung
Am 23. Juli 1905 kamen im Gundelfinger Gasthaus „Ochsen“ 32 junge Männer zusammen, eine beachtliche Zahl für einen kleinen landwirtschaftlich strukturierten Ort mit ca. 900 Einwohnern. Sie hatten sich zum Ziel gesetzt, den Turnverein Gundelfingen zu gründen. Sie wählten einen Vorsitzenden, Wilhelm Malzacher, sowie einen Turnwart, Johann Gärtner, und sie gaben sich eine Satzung, die heute noch erhalten ist. Der Zweck der Vereinsgründung, heißt es lapidar, „sei das Bestreben, die Kraft der jungen Männer zu hegen und zu pflegen“. Ferner sollten der Körper und der Geist gestärkt, die Sittlichkeit gefördert, eine patriotische, vaterländische Gesinnung gepflegt werden, um so „für den einzelnen Kraft und Wohlsein und für das Ganze Macht und Größe zu erstreben“.
Letztlich ist die Gründung auf das Bestreben einer Person zurückzuführen, nämlich auf Johann Gärtner. Schon sehr früh als Schüler kam er in seiner Heimatstadt Frankfurt mit dem Turnsport in Berührung und wurde ein begeisterter Anhänger der Turnbewegung nach den Idealen des „Turnvaters“ Friedrich Ludwig Jahn. Er kam als Soldat nach Freiburg und lernte eine hübsche Gundelfingerin kennen. Nach der Heirat wurde er in Gundelfingen heimisch. In seinem Garten baute er zusammen mit seinem Freund, dem Schmied Hermann Oertlin, ein Reck und zimmerte sich einen Barren. Seine allabendlichen Übungen blieben im Dorf natürlich nicht unbeobachtet. Alsbald fanden sich mehrere junge Burschen ein, die, von Gärtner angeleitet, auch selbst die Turnübungen ausprobierten. Nachdem einige von ihnen begeistert von einem Turnfest aus Freiburg zurückkehrten, beschlossen sie, auch in Gundelfingen einen Turnverein zu gründen, der zunächst nur männlichen Mitgliedern über 18 Jahren vorbehalten blieb. Als Initiator und Motor dieser Bewegung ist Johann Gärtner zu sehen.

Das Vorbild „Turnvater Jahn“
Friedrich Ludwig Jahn ( 1778 – 1852) war Lehrer und gewählter Abgeordneter der Nationalversammlung, die am 18.05.1848 erstmals in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat. Jahn hatte erstmals 1811 in der Berliner Hasenheide den ersten Turnplatz abgesteckt und mit überwiegend selbst erfundenen Turngeräten zum Zwecke der Leibesertüchtigung bestückt.
Nach Jahns Ideen sollte der Turnplatz ein öffentlicher Platz für die Jugend des ganzen Volkes sein, ein Vorübungsplatz für das Leben in der Volksgemeinschaft, auf dem alle sozialen Gegensätze von Rang, Stand, Alter und Bildung überbrückt werden sollten. Die turnerische Erziehungsaufgabe, die sich Jahn gesetzt hatte, war nicht allein von dem Motiv der körperlichen Ertüchtigung geprägt. Sie hatte auch die Stärkung des Nationalgefühls zum Ziel, nach der Devise: „Ein guter Turner ist immer auch ein guter Deutscher!“
Das preußische Militär machte sich Jahns vaterländische Gedanken zu nutze. Zahlreiche Turner wurden Soldaten und stellten ihre Kampfkraft für Gott und das Vaterland unter Beweis, z.B. in den Befreiungskämpfen gegen Napoleons Fremdherrschaft (und im deutsch-französischen Krieg von 1870/71). Jahns Forderungen nach einer Verfassungsreform, nach politischen und sozialen Reformen und nach Freiheit für den einzelnen Bürger waren politisch brisant. Die Turnbewegung wandte sich gegen die staatliche Zersplitterung, gegen die alte Feudalordnung und gegen die absolutistische Staatsverfassung. Die deutschen Fürstenstaaten fühlten sich massiv bedroht und wehrten sich mit Verhaftungen und mit Verboten. Die Turnbewegung wurden revolutionärer Tendenzen beschuldigt und mit einer allgemeinen Turnsperre belegt. Erst nach Gewährung der Versammlungsfreiheit in den 1840er Jahren konnten überall im Lande Turnvereine entstehen.

Gundelfingen um die Jahrhundertwende 1900
Zu einer richtigen Welle von Vereinsgründungen kam es im Deutschen Kaiserreich (1871 –1918). 1904 wurden beispielsweise in den Nachbarorten Gundelfingens der SC Freiburg und der TV Denzlingen gegründet. Die Sportvereine galten als politische Vereinigungen und wurden von der Obrigkeit kritisch beäugt.
Die Gründung des TV Gundelfingen ist auch als Ausdruck und Ergebnis eines langfristigen Modernisierungsprozesses zu verstehen. 1905 befand sich das deutsche Kaiserreich in einem Übergangsstadium von einem feudalen Agrar- hin zu einem sich rapide entwickelnden Industriestaat. Diese Entwicklung erfasste auch das Bauerndorf Gundelfingen. Der Ort profitierte beispielsweise von dem Bau der Eisenbahnlinie 1845, der Vorortzug Riegel – Freiburg verkehrte regelmäßig, die Haltestelle Gundelfingen ist seit 1885 in Betrieb. Die Menschen wurden mobiler, erste Autos wurden gebaut, Fahrräder serienmäßig produziert, Straßen ausgebaut. Handel und Verkehr nahmen zu, eine Spar- und Kreditkasse wurde errichtet. Die Leibeigenschaft wurde aufgehoben, landwirtschaftlich Beschäftigte wanderten in neu entstehende Fabriken ab. Neubürger wie z.B. Johann Gärtner zogen zu. Sie brachten eigene, andere Erfahrungen mit und bereicherten den Ort. Seit 1887 gab es eine Poststelle, die ab 1898 sogar über einen Telefonanschluss verfügte.
Gundelfingen wurde seinerzeit von einem gesellschaftlichen Wandel erfasst. Die sozialen Veränderungen führten auch auf der politischen und kulturellen Ebene zur Ausprägung eines Bürgertums, zur Bildung von Parteien und Gewerkschaften und zu Vereinsgründungen wie dem Militärverein (1875), dem Krankenunterstützungsverein (1875), dem Gesangsverein (1887), dem Frauenverein (1897) und letztlich dem Turnverein (1905), dem ältesten Sportverein am Ort.
Die Gründung des Turnvereins bedeutete zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Aufbruch in die Moderne. Turnen entsprach dem neuen Zeitgeist, Sport war ein Trendsetter, der auch in Gundelfingen seine Anhänger fand.

Aufbruchstimmung: Die ersten Jahre bis 1918
Unter der Regie von Johann Gärtner begann der TVG im Jahr 1905 seine Trainingsarbeit. Geturnt wurde im Freien, Sporthallen gab es seinerzeit noch nicht. Mitunter erlaubten verständnisvolle Landwirte dem Verein, Scheunen als Turnhallen zu benutzen, oftmals erst wenn die Turner mithalfen, vollbeladene Wagen abzuladen, um auf diese Weise Platz zum Turnen zu schaffen. In der Winterzeit konnte wiederholt in Tanzsälen und Gasthäusern geturnt werden. Die Anschaffung von Geräten musste aus eigener Tasche bezahlt werden. Gärtner, ganz Vorbild für seine Mannen, besuchte alle angebotenen Turnwarteversammlungen in der Region, um sich weiterzubilden und um die gewonnenen Erkenntnisse an seine Zöglinge weiterzugeben. Die Erfolge der fleißigen Trainingsarbeit sollten sich alsbald einstellen, denn die Gundelfinger beteiligten sich an Gauturnfesten, so 1906 in Emmendingen, 1908 in Kenzingen, 1910 in Staufen, 1912 in Freiburg. Sie konnten häufig vordere Plätze belegen und kehrten regelmäßig heim mit Ehrenurkunden und Eichenlaubkränzen, den Trophäen der Sieger. 1912 wurde der Gauturntag in Gundelfingen veranstaltet, der im großen Saal der Kinderschule stattfand. Es war eine große Ehre und Auszeichnung für den jungen TVG, der damit seine Aufbauarbeit gewürdigt sah.
Wie auf dem Foto von 1907 unschwer zu erkennen, hatte der Turnverein auch eine Spielmannsgruppe mit Trommel und Pfeifen ins Leben gerufen. Diese spielte bei offiziellen und bei geselligen Anlässen und begleitete den Verein bei Turnausflügen und bei Besuchen benachbarter Vereine. Die Aufwärtsentwicklung des Vereins wurde jedoch abrupt mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges gestoppt. Da viele Turner zum Militärdienst eingezogen wurden, kam der Turnbetrieb praktisch zum Erliegen. Nicht alle Turner kehrten lebend aus dem Krieg zurück.

Krisen: Die Entwicklung des TVG in der Zwischenkriegszeit (1919-1931) 
Mit guten Vorsätzen wurde der Turnbetrieb 1919 wieder aufgenommen. Es wurde eisern trainiert. 1922 wurde der Turnbetrieb erweitert: erstmals werden eine Frauen- und eine Schülerriege gebildet. Auch die Etablierung einer Sängerriege ist in den Annalen vermerkt. Nach kurzem Intermezzo im TV bildete diese dann 1922 den eigenen Gesangverein „Liederkranz“, der 1933 mit dem Männergesangsverein fusionierte. Doch der Anfangselan erlahmte. In Zeiten politischer Instabilität und wirtschaftlicher Not hatten die Gundelfinger andere Sorgen, beim Kampf ums eigene Überleben war für Turnen kein Platz mehr. Die Aktivitäten waren auf den Nullpunkt gesunken. Der TVG hatte eine Krise zu überstehen.
Da passt auch eine weitere Unstimmigkeit ins Bild: Der aus England importierte Fußballsport kam auch in Gundelfingen in Mode. Selbst Turner brachten das runde Leder mit in die Übungsstunden, was dem damaligen Turnwart Hermann Hanser absolut nicht behagte. Daraufhin entschloss sich der Verein im Jahr 1921, eine eigene Fußballabteilung einzurichten, allerdings mit der Auflage, dass die fußballspielenden Mitglieder auch die Übungszeiten der Turner zu besuchen haben. Es sollte sich bald herausstellen, dass sich der „Fußball-Club Gundelfingen“ verselbständigte und aus dem TVG ausschied. Das grundsätzliche Dilemma aber blieb bestehen: den Turnern fehlte eine eigene Halle, den Fußballern ein eigener Spielplatz. Beide Vereine stagnierten und konnten sich nicht weiterentwickeln.
1925 fusionierten sie zum „Sportverein Gundelfingen“. Die Absicht, die dahinter steckte, – durch die Vereinigung einen neuen Aufschwung zu erreichen, eine größere Anziehungskraft auf die Jugend auszuüben und eine größere Durchsetzung der Vereinsinteressen gegenüber Gemeinde und Öffentlichkeit zu erzielen -, ging nur für die Fußballer auf: sie blühten auf, während die Turner weiterhin ein Schattendasein fristeten. Es mangelte dem Verein an Impulsen und an geeignetem Führungspersonal. Finanziell gebeutelt überstanden er kümmerlich die Wirtschaftskrise Anfang der dreißiger Jahre.

Die Wiederbelebung des TVG (1932 – 1945)
So wie bisher konnte es nicht weitergehen. Die Wende wurde durch einen jungen Mann, Fritz Engler, eingeleitet. Schon als Freiburger Schüler mit dem Turnen in Kontakt gekommen, war er ein glühender Verfechter der Ideen des Turnsports. Er trainierte mangels besserer Alternativen beim TV Zähringen, überzeugte den Zähringer Turnwart Theodor Kury, die Turnabteilung des SV Gundelfingen zu übernehmen. Engler selbst kümmerte sich um die Belange der Frauenabteilung, die er wiederbelebte. Er war ein „Hans Dampf in allen Gassen“, war abwechselnd Schriftführer und Rechner, erster und zweiter Vorstand, Jugendsprecher usw. Der TVG hatte seinen Initiativen viel zu verdanken. Die Turnabteilung erstarkte wieder beachtlich dank des neuen Windes, den Kury und Engler entfachten.
Es sollten aber neue Schwierigkeiten auftreten. Verbandspolitische Streitigkeiten auf nationaler Ebene reichten bis in den SV Gundelfingen hinein. Unter den Namen Sportverein verbargen sich neben den Turnen auch andere Sportangebote: z.B. auch Fußball, „volkstümliches Turnen“, d.h. Leichtathletik, Schwimmen, usw. Da sich die Sportverbände national nicht einigen konnten, verfügte der Turnverband „Deutsche Turnerschaft“ eine „reinliche Scheidung“, d.h. den Turnvereinen wurde eine gleichzeitige Mitgliedschaft in anderen Sportverbänden untersagt.
Der SV Gundelfingen stand vor einer schwierigen Entscheidung. 1932 wurde der Vereinsname „Sportverein“ in „Turn- und Sportverein“ umgeändert. Am 27. Juli 1932 erklärte Karl Demmler im Namen der Turner den Austritt. Der Turnverein Gundelfingen wurde am 24. September 1932 wiedergegründet. Ihm gehörten 33 Mitglieder an, darunter auch weibliche Mitglieder. Als Vorsitzender wurde Hermann Hanser gewählt, ihm folgte von 1934 bis 1939 Wilhelm Winkler. Als Turnwart konnte Theodor Weber aus Zähringen gewonnen werden. Damit hatte der TVG wieder eine handlungsfähige Führung, die Querelen hatten ein Ende. Endlich konnte der Verein wieder positive Schlagzeilen schreiben. Es wurden neue Mitglieder geworben und eifrig trainiert, trotz schlechter Trainingsbedingungen. Der Verein besaß noch immer keine eigene Halle, es wurde wechselweise in Gaststätten („Sonne“, „Bahnhofswirtschaft“, „Ochsen“) geübt. Der Gastsaal des Ochsen wurde im Volksmund stolz „Jahn-Halle“ genannt. Es ging wieder aufwärts mit dem TVG. Der Verein beteiligte sich mit Erfolg an den Gauturnfesten, an Werbe- und Schauwettkämpfen und an Besuchen befreundeter Vereine. 1936 wurde eine Handball-Abteilung ins Leben gerufen, ebenso wurde im TVG Ringtennis gespielt. Mit Hilfe der Gemeinde wurde in Eigenregie am Schobbach das Fritz-Müller-Schwimmbad gebaut, das leider während des Zweiten Weltkrieg durch eine Fliegerbombe stark beschädigt wurde. 1939 war der TVG im Besitz mehrer stattlicher Turngeräte, die durch Waldfeste selbst erwirtschaftet worden waren. Die Mitgliederzahl stieg auf 80.
Kaum hatte sich der TVG erholt und weiterentwickelt, brach mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs die nächste Katastrophe herein. Wieder ruhte der Turnbetrieb, die sogenannten Turnhallen waren vom Reichsarbeitsdienst bzw. von der Wehrmacht beschlagnahmt, die wehrfähigen Männer mussten Kriegsdienst leisten, wobei einige Gundelfinger Turner ihren Einsatz mit dem Leben bezahlten, unter ihnen auch der rührige Fritz Engler.

Die Nachkriegszeit bis zur Wiedergründung (1945 –1950)
Südbaden war nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs von den Franzosen besetzt. Die Besatzungsmacht interpretierte die Turnvereine als politisch orientierte Vereinigungen bzw. Vorreiter des Miltärdienstes und verbot zunächst alle sportlichen Aktivitäten des Turnvereins. Er wurde aufgelöst und sein Vermögen beschlagnahmt. Die Turner des TVG wollten sich mit dieser Situation aber nicht zufrieden geben und tauchten vorübergehend bei den Kollegen des SC Gundelfingen unter. Federführender Abteilungsleiter in den Jahren 1948 – 1950 war Daniel Klaiber. Die Fußballer durften bereits seit 1946 wieder ihren Sport betreiben. Um frühere Probleme nicht zu wiederholen, wurden Fußball und Turnen als selbständige Abteilungen mit eigenen Kassen weitergeführt. Nachdem 1950 der Deutsche Turnerbund neu gegründet wurde, wollten auch die Gundelfinger Turner wieder eigenständig sein. Man trennte sich in freundschaftlicher Weise von den Sportfreunden des SC und war sehr dankbar für das gewährte Asyl.

Turnen und Tradition: Der TV Gundelfingen in den Jahren 1950 – 1970
Am 12. November 1950 war es dann soweit: In der Turnhalle des Gasthauses „Ochsen“ wurde der TVG erneut wiedergründet. Zum Ersten Vorsitzenden wurde August Wolfsperger, zum Zweiten Vorsitzenden Wilhelm Winkler gewählt. Der Zweck des TVG 05 „ist die Förderung und Ausbreitung des volkstümlichen Turnens als eines Mittels zur körperlichen, geistigen und sittlichen Erneuerung und zur Erhaltung des deutschen Volkes , in Sonderheit seiner Jugend.“ Von diesem Zeitpunkt an sollte die Vereinsgeschichte des TVG in geordneten, stabileren und demokratischen Bahnen verlaufen.
Die Wahl Wolfspergers zum Vorstand sollte sicherlich ein Zeichen setzen und einen Neuanfang bedeuten. Wolfsperger war von Beruf Turnlehrer und bereits in den dreißiger Jahren für den TVG aktiv tätig. Er war inzwischen ein erfahrener Sportfunktionär und hatte bereits als Landesschwimmwart Meriten sammeln können, vor allem kannte er aufgrund seiner persönlichen Kontakte die Strukturen verschiedener Vereine in Südbaden.
Ein Hauptaugenmerkseiner Vorstandsarbeit richtete August Wolfsperger auf Mitgliederwerbung. In den eher kargen Nachkriegszeiten sollte der Verein vor allem Jugendlichen im Verein einen Halt und eine Perspektive bieten. Kinderturnen wurde eingeführt, Frauengymnastik etablierte sich. Tatsächlich stieg die Mitgliederzahl wieder merklich an.
Ein zweiter Schwerpunkt seiner Arbeit galt dem im Krieg beschädigten Freibad. Bereits 1952 konnte Wolfsperger vermelden, dass der TVG 05 die Zerstörungen in zahllosen Stunden Eigenleistung der Mitglieder beseitigt und das Bad wieder funktionsfähig sei. Es wurde mit einem Waldfest mit Schwimmwettkämpfen und turnerischem Schauturnen seiner Bestimmung übergeben. Allerdings war dem Bad keine rosige Zukunft beschieden. Das Wasser des Zuflusses Schobbach verschmutzte immer mehr. 1956 musste es seinen Betrieb endgültig einstellen.
Der ausgebildete Lehrer August Wolfsbperger wollte Sport und Kultur verbinden. Jedes Jahr studierte er mit jungen Sportlern ein Theaterstück ein, das dann auch zur Aufführung gelangte.
Der Höhepunkt von Wolfspergers Vorstandschaft, die bis 1956 dauerte, waren sicherlich die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Vereinsjubiläum. Es wurde vom 23. – 25. Juli 1955 begangen. Das Fest stieß auf große Resonanz. Alle Gundelfinger beteiligten an der Veranstaltung, das Festzelt fasste mehr als 2000 Personen. Auswärtige Gäste waren zahlreich erschienen, und die Turner befreundeter Vereine beteiligten sich am Festumzug. Die neu angeschaffte Vereinsfahne wurde vom Präsidenten des Badischen Turnerbund Dr. Jörder eingeweiht. Der Wunsch des TVG nach einer eigenen Turnhalle wurde nachhaltig unterstrichen. Der TVG konnte viele Ehrungen für langjährige Mitgliedschaft aussprechen. Mit der goldenen Vereinsnadel wurden die Ehrenmitglieder Karl Arnold, Wilhelm Baumann, Karl Danner, August Demmler, Johann Gärtner, Hermann Hanser, Fritz Kappler, Daniel Klaiber, Karl Klaiber, Jakob Lapp, Karl Lapp, Wilhelm Bürkle und Fritz Winkler geehrt. Insgesamt waren die Festtage für den TVG 05 ein voller Erfolg, die umfangreichen Arbeiten der Vorbereitung hatten sich wirklich gelohnt. Sie waren identitätsstiftend.

1956 reichte August Wolfsperger das Vereinszepter an seinen langjährigen Vize Willi Winkler weiter. Der „eiserne“ Turner Winkler war bereits von 1934 bis 1939 erster Vorsitzender des TVG, ein in Vorstandangelegenheiten erfahrener Kämpe also. Als der Verein ihn nochmals zum Vorsitzenden wählte, wollte Winkler, ein bescheidender, stiller, aber vernünftig denkender Mensch, nicht Nein sagen. In seiner Jugend war er ein ausgesprochen guter Turner, am Turnsport hing er mit Leib und Seele. Während seiner Amtszeit galt sein Interesse besonders der Förderung der Jugend, ihr sollte ganz im Sinne der Losungen Jahns Stabilität und Halt gegeben werden. Winkler, gelernter Zimmermann und Schreiner, dachte in praktischen Kategorien, er erbrachte hohe Arbeitsleistungen für seinen Verein. Er war Neuerungen gegenüber aufgeschlossen. Er gestattete z.B. dem Kollegen Alfred Sohler, den Ringtennis-Sport weiterzuentwickeln. Die Gundelfinger kamen auf diesem Gebiet mehrmals zu Meisterehren. Die Abteilung erhielt sogar von der Gemeinde ein Freiluft-Gelände zugewiesen, dass sie ihren Sport ausüben und trainieren konnten.
1961 fanden die Südbadischen Meisterschaften im Kunstkraftsport in Gundelfingen statt. Die Leichtathletik-Abteilung wurde im Jahre 1962 gegründet, sie trainierte auf dem Platz nahe dem alten Bad. Auch nach seiner aktiven Vorstandszeit blieb Willi Winkler seinen Sportkameraden erhalten, wurde sein Rat und seine Arbeitskraft gebraucht, stand er bereit. Wenn er helfen konnte, packte er mit an. Er war ein „getreuer Ekkehard“ des TVG.

1963 wechselte das Amt des Vereinsvorsitzenden an Alfred Danner. Der damals 29-Jährige hatte es bis 1970 inne. Danner war einer der besten Turner aus der Garde des TVG. Schon in jungen Jahren gelangte er, agil und quirlig wie er war, zu Vorstandsehren. Er leistete enorm viel für den Turnverein, er konnte organisieren und improvisieren, er kümmerte sich um viele Dinge im Vereinsgeschehen. Er war nicht nur erster Vorsitzender, sondern gleichzeitig auch Übungsleiter und bekleidete das Amt des Oberturnwarts. Alfred Danner besaß fachliche Kompetenz, bildete sich an der Sportschule fort und erwarb weitere Qualifikationen. Auf allen Ebenen engagierte er sich, baute mit auf und mit ab, inszenierte Theateraufführungen, arbeitete mit hohem Einsatz für den Verein. Von seiner Amtsführung überzeugt erwartete er allerdings die gleiche Haltung auch von seinen Kollegen. Danner organisierte Ski-Freizeiten, beteiligte sich an Landesturnfesten, führte das heute so beliebte „Jedermann-Turnen“ ein, ebenso wie das Mutter-Kind-Turnen. Erstmals trainierten Mitglieder des Vereins für das Sportabzeichen. 1965 konnte das Abzeichen an die ersten erfolgreichen Sportler in Gundelfingen verliehen werden. Besonders Stolz war Danner auf seine Akrobatik-Riege, die bei öffentlichen Auftritten mit Show-Einlagen den TVG publikumswirksam präsentierte.

TVG in der Erfolgsspur: Umstrukturierung und Modernisierung (1970 –1986)
Der bisherige Kassenwart des Vereins, Hubert Müller, wurde 1970 an die Spitze des Vereins gewählt. Unter Müllers Regie steuerte der TVG wieder in ruhigere Fahrwasser. Müller, von Beruf her Prokurist und kaufmännisch ausgerichtet, begann die Vereinsstrukturen neu zu ordnen, umzubauen und zu modernisieren. Als erste Amtshandlung richtete er eine Geschäftsstelle ein und besetzte diese mit einer Fachfrau. Mit ihrer Hilfe wurde die Vereinsführung modernisiert: die Buchführung wurde korrekt angelegt und Mitgliederdateien wurden erfasst; Mitgliederbeiträge wurden nicht mehr persönlich kassiert, sondern per Banküberweisung eingezogen.
1968 wurde in Gundelfingen eine nicht nur von Sportlern lang ersehnte Fest- und Sporthalle eingeweiht, die auch dem TVG zur Verfügung stand. 1974 wurde beim Bau des Bildungszentrums eine weitere Sporthalle errichtet, die in den Abendstunden ebenfalls von Sportvereinen genutzt werden konnte. Ein abgestimmter Belegungsplan ermöglichte es den Mitgliedern, verschiedene Arten des Breitensports zu nutzen. Müller erkannte, dass die Leitung der Übungsstunden nicht mehr rein ehrenamtlich wie in den fünfziger Jahren zu bewältigen war. Er setzte auf Vereinsebene durch, dass geschulte und fortgebildete Übungsleiter gewonnen und eine geringe finanzielle Aufwandsentschädigung erhielten. Der Verein wandelte sich von einem reinen Turnverein zu einem Mehrspartenverein. Aufgrund der neuen Hallenkapazitäten konnte der TVG dem Wunsch der Mitglieder nach einem breiteren Sportangebot entsprechen. Neue Abteilungen wurden gegründet und in den TVG integriert: Volleyball (1969) Handball (seit 1936,1979 wiedergegründet), Leichtathletik (seit 1962, wiederbelebt), Basketball (1982), Schwimmen (1968 wiedergegründet). Das Obermattenbad wurde 1980 eröffnet. Hier fand die Schwimmabteilung des TVG eine sehr gut ausgestattete Bleibe, nachdem sie in den Jahren zuvor das Lehrschwimmbecken bei der Fest- und Sporthalle nutzen konnte. Wandern und Skifahren ergänzten saisonal die Angebotspalette des TVG.
Trotzdem hatte der TVG noch eine Krise zu bewältigen. Innerhalb des Vereins spitzten sich Interessenskonflikte zu. Junge Übungsleiter, die engagiert und mit Elan ihren Job ausübten, stellten Sach- und Finanzforderungen an den Vorstand, die dieser nicht erfüllen konnte und auch nicht wollte. 1975/76 kam es zum Eklat: Nachdem bestimmte Interessensgruppen bei Vorstandswahlen nicht zum Zuge kamen, traten ca. 25 Mitglieder aus dem Verein aus und gründeten die Gundelfinger Turnerschaft. Damit war das Monopol des TVG gebrochen, fortan konkurrierten zwei Turnvereine um die Gunst der Mitglieder. Der TVG berappelte sich nach einem kurzen Schock wieder und setzte seine bislang bewährte Arbeit fort. In der Folge stiegen die Mitgliederzahlen unaufhörlich weiter. Es zeigte sich, dass Gundelfingen durchaus mit zwei konkurrierenden Turnvereinen leben konnte.
Nach dem Kriege hat sich Gundelfingen ständig weiterentwickelt, die Einwohnerzahl nahm kontinuierlich zu, der landwirtschaftlich geprägte Charakter wurde immer mehr zurückgedrängt. Gewerbebetriebe siedelten sich an, neue Wohngebiete wurden erschlossen. Das ehemalige Bauerndorf wandelte zu einem schmucken Kleinzentrum vor den Toren Freiburgs. Durch die Gemeindereform von 1972, die Eingemeindung von Wildtal und die Verwaltungsgemeinschaft mit Heuweiler, stieg die Bedeutung Gundelfingens weiter an. Noch mehr Leute zogen zu, innerhalb weniger Jahrzehnte verdoppelte sich die Einwohnerzahl. Natürlich suchten die Neubürger auch sportliche Betätigungsmöglichkeiten. Die Mitgliederzahlen des TVG explodierten: Als Müller den Verein 1970 übernahm, verfügte dieser über 240 Mitglieder, bereits ein Jahr später hatte er 800 Mitglieder zu vermelden. 1977 konnte der Verein sein 1000. Mitglied, den Schüler Thomas Zielinski, willkommen heißen. 1980 waren mehr als 1200 Mitglieder verzeichnet. Die Abspaltung der GTS hat der TVG gut verkraften und über alle Maßen kompensieren können.
Nachdem sich der TVG derart konsolidiert hatte, setzte sich Müller mit seiner Vorstandscrew zum Ziel, das Sportangebot sowie die Sportstätten qualitativ zu verbessern. 1974 wurde die Trimm-Dich-Anlage im Gundelfinger Wald eröffnet, Lauftreffs wurden organisiert. 1978 wurde im Jostal ein Haus gekauft, das in Eigenarbeit ausgebaut und modernisiert wurde, so dass es vor allem als Jugend- und Freizeitheim genutzt werden kann. Wieder engagierten sich Mitglieder des TVG, beschafften über den Verkauf von Bausteinen und durch eigenschuldnerische Bürgschaften das benötigte Kapital und stellten ihre Arbeitskraft zur Verfügung: ein wunderschönes Beispiel für eine funktionierende Solidargemeinschaft in einem Sportverein.
Als Müller 1986 aus Altersgründen aus dem Amt schied, war er der Vorsitzende mit der längsten Amtszeit in der bisherigen Vereinsgeschichte. Sein kooperativer Führungsstil und seine Ausgeglichenheit hatten den TVG vorangebracht. Es sprach für Müllers Führungsqualitäten, dass es während seiner Amtszeit nur wenig personelle Wechsel in der Vorstandsetage gab. Er hatte das Vereinsschiff in seiner ihm eigenen sachlichen, ruhigen Art auf den richtigen Kurs gebracht und vor allem auf Kurs gehalten.

Modernes Management und Professionalisierung des TVG (1986 – 2005)
Mit Bruno Zimmermann übernahm ein junger, dynamischer Mann das Vereinsruder, der zunächst mehr durch seine kommunalpolitische Arbeit aufgefallen war als durch aktive Vorstandsarbeit bzw. durch sportliche Erfolge. Er ist mittlerweile seit 1986, also seit nahezu zwei Jahrzehnten, im Amt. Zimmermann konnte auf die gute Basis , die sein Vorgänger erarbeitet hatte, aufbauen. Mit der Vorstandschaft und dem Turnrat führte er den eingeschlagenen Weg der Modernisierung konsequent fort. Mit Mut und Geschick setzt er Zeichen, um den Verein in guten wie (finanziell) schwierigen Zeiten weiterzuentwickeln.
Zu Beginn seiner Amtszeit war Bruno Zimmermann gefordert, ein lang gehegtes Projekt des TVG zu verwirklichen: wenn schon keine eigene Sporthalle, dann wenigstens ein eigenes Vereinsheim! 1989 konnte wiederum nach einer bravourösen Energieleistung von Mitgliedern und Vorstandschaft die „Waldbühne“ präsentiert werden. Sie ist zu einem schmucken Vorzeigeobjekt geworden, das nicht nur der Geselligkeit bei Vereinsfesten und Versammlungen dient, sondern auch als Gymnastik- und Übungsraum benutzt wird. Die Waldbühne ist funktional in jeder Hinsicht hervorragend ausgestattet, ein Musterbeispiel für die Integrationsfähigkeit eines Vereins nach innen und nach außen.
In den letzten Jahren bewies der Verein immer wieder Innovationsbereitschaft. Neue Trends im Sport wurden aufgegriffen: Im Jahre 1986 wird der Jazz-Tanz (und neuerdings auch Teen-Aerobic) eingeführt, der insbesondere von jungen Mädchen frequentiert wird, die schon wiederholt bei öffentlichen Aufführungen ihr Können demonstriert haben. Seit 1994 gibt eine Judo-Abteilung und seit1999 kann man freitags Badminton spielen. Der TVG offeriert nicht nur ein nach Kindern/Jugendlichen und Erwachsenen differenziertes Sportprogramm, sondern auch ein Kursprogramm, das auch von Nichtmitglieder genutzt werden kann: vor allem Schwimmkurse (vom Baby-Schwimmen bis Aqua-Jogging und Aquafitness für Schwangere) und Gesundheitsprophylaxe (Rückenschulung), aber auch Selbstverteidigung für Frauen und Thai-Bo-Kurse. Der Rücken-Fit-Kurs wurde vom DTB mit dem Gütesiegel „Pluspunkt Gesundheit“ ausgezeichnet. Die Themen Gesunderhaltung und Seniorensport spielen eine zunehmende Rolle in den Angeboten des TVG.
Ein anderer wichtiger Schwerpunkt des TVG ist die Kooperation Schule – Verein. Diese besteht derzeit im Basketball mit dem Albert-Schweitzer-Gymnasium und im Schwimmen mit der Johann Peter Hebel-Grundschule. Durch Kooperation sollen Schüler in jungen Jahren bewegt und zur sportlichen Betätigung angeleitet werden.
Im Jahre 2000 konnte Zimmermann nach langem Geduldspiel und zähen Verhandlungen das neu gebaute Stadion am Obermattenbad bei einer Leichtathletik-Veranstaltung vorstellen. Dies steht neben den Schulen und dem Fußballsport nicht nur den Spezialisten der Leichtathletik zur Verfügung, sondern auch Freizeitsportlern, die für das Sportabzeichen trainieren.
Ein weiteres Projekt liegt Zimmermann sehr am Herzen: der Ausbau der sportlichen Kontakte zu den Partnerstädten Gundelfingens. Besonders für Bierun setzt sich Zimmermann nachdrücklich ein. Bereits 1998 rief eine Sportpartnerschaft des TVG mit dem Lyzeum in Alt-Bierun ins Leben. Seit her organisiert er alljährlich einen Austausch mit jungen Sportlern aus beiden Orten. So ist es möglich, die geknüpften Bande zu vertiefen und um ein „Stückchen“ Europa zu realisieren.
Bruno Zimmermann präsentiert den Verein immer wieder an vorderster Stelle, pflegt Kontakte zu allen Abteilungen des Vereins, zu anderen Vereinen und Verbänden. Er führt kooperativ, beweist aber auch, wenn nötig, Handlungskompetenz, überprüft und korrigiert Entscheidungen, akzeptiert schmunzelnd die ihm angetragene Rolle als „Häuptling des TVG“.
In Zeiten einer sich immer schneller wandelnden Gesellschaft muss sich der TVG den neuen, sich ändernden Gegebenheiten so gut wie möglich anpassen. Wie die Mitgliederentwicklung zeigt, ist der Drang nach sportlicher Betätigung ungebrochen aktuell. Der Verein kommt diesem Bedürfnis im Rahmen seiner ihm gegebenen Möglichkeiten nach. (Die einzelnen Abteilungen präsentieren auf den folgenden Seiten die aktuellen sportlichen Aktivitäten.) Von den Vorstellungen der turnbegeisterten Gründergeneration hat sich der Turnverein Gundelfingen inzwischen weit entfernt, gemeinsam geblieben ist jedoch die Hoffnung auf eine friedvolle und sportlich bewegte Zukunft und auf ein fröhliches Miteinander!

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