Um die brachialen Brecher des TB Kenzingen II zu bezwingen nehme man eine gute Hand voll (sechs Feldspieler, zwei Torhüter) Gundelfinger Spieler, mische einmal kräftig durch, verteile etwas Harz über das Gesamtgebilde und zack hat man sich nach 60 Minuten reinstem Handball einen astreinen Auswärtssieg des TVG gezaubert – das wäre die nette und scheinhafte Variante der Geschichte. Die brutale (und) ehrliche Geschichte geht so:
Nachdem ein anonymer A-Jugend-Spieler kurz vorm Treffpunkt abgesagt hatte und alle verzweifelten Versuche, noch von irgendwoher einen weiteren Spieler zu organisieren, gescheitert waren, wurde den Gundelfinger Handball-Herren spätestens beim Treffpunkt die offene Wahrheit des Spieltages bewusst. Zwei Torhütern standen nur sechs Feldspieler gegenüber, zwei davon in Postcorona-Zustand und noch nicht wieder topfit. Akribisch erarbeitete sich das Team im Vorhinein des Spiels also alle möglichen taktischen Szenarien, um die fitten möglichst viel und die unfitten möglichst wenig laufen zu lassen. Nach allen Überlegungen, dem Aufwärmen und vor allem in der Nachbetrachtung des Spiels muss man allerdings zugeben: Irgendwie sind am Ende doch alle etwa gleich viel gerannt. Wie das bewerkstelligt wurde bleibt allerdings das Geheimnis der Mannschaft.
Also ab zum Anpfiff: Die „brachialen Brecher“ zu Beginn des Textes waren kein reines Stilmittel. Was Kenzingen da für das Spiel aufgefahren hatte, ließ jeden harten Buben in seinen Grundfesten erzittern. Der rumänische Panzer am Kreis Mihai-Vincetiu Faifer mit einer Wühleraktion des Grauens und der rückraumrechte Hüne Wojciech Bablewski – seines Zeichens ehemaliger polnischer Nationalspieler – mit zwei Schwingern aus der Hölle begrüßten das junge TVG-Team angenehm in der Üsenberghalle – 3:0. Nachdem TVG-Dirigent Simon Eisenblätter mit zwei schnellen Toren antwortete und der TVG auch im Spiel angekommen war, zog Kenzingen erneut einen 3:0-Lauf zum 6:2. Die Gundelfinger Brigarde kämpfte sich in das Spiel hinein, und nachdem man Faifer und Bablewski nach etwa 15 Minuten besser im Griff hatte, drehte der TVG das Geschehen das erste Mal – 11:13-Führung. Doch der nächste 3:0-Lauf des Gastgebers führte das Spiel zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen. Ab dem 14:14 in der 25. Minute zog kein Team mehr weit davon, jedes Tor war hart erarbeitet und das Spiel unglaublich körperlich, sodass die ersten Zwei-Minuten-Strafen das Spiel prägten.
So ging das Spiel auch in der zweiten Hälfte weiter. Immer bissiger, immer ruppiger, immer mehr Tore, immer mehr Strafen, immer mehr Beschwerden beim Schiedsrichter (der unabhängig von seiner Leistung eine wirklich undankbare Partie zu Leiten bekommen hatte bei all der Härte). Mit einer zwischenzeitlichen Energieleistung zog der TVG noch einmal zehn Minuten vorm Ende auf 30:33 davon und man hätte diese Führung vermutlich besser nutzen müssen. Die Gundelfinger Helden kämpften allerdings mit der Kraft und die völlig abgebrühten Kenzinger ließen sich nicht abschütteln. Doch dann sollte die Zeit der roten Karten beginnen. Eingeleitet durch ein rüdes Foul im Gegenstoß gegen unseren Linksaußenflitzer Tobi, was die erste Ampelkarte nach sich zog, holte sich der TVG die nächste Zwei-Tore-Führung sechs Minuten vor Schluss, da Tobi den Gegenstoß trotz des Abräummanövers ordentlich vollendet hatte. Die nächste Heldengeschichte trug sich zu, als Gabriel einen Strafwurf drei Minuten vor Schluss beim Stand von 34:35 gegen den allmächtig erscheinenden Bablewski entschärfen konnte und damit noch einmal das Feuer bei seinen Feldspielern entfachte. Während anschließend dem nächsten Kenzinger Spieler aufgrund der unglaublichen Spannung und nach einer starken Abwehraktion unseres noch ein paar Tage vor dem Spiel coronageschädigten A-Jugendlichen die Sicherungen durchbrannten und er unseren Kaleb einmal im Judowurf auf den Hallenboden beförderte und damit die nächste direkte rote Karte provozierte, musste danach auch unser Abwehrchef Jojo, der sich den Kenzinger Giganten immer wieder todesmutig entgegenstellte, nach drei Mal 2-Minuten das Feld verlassen. Nach dem Ausgleich der Kenzinger 20 Sekunden vor Schluss versuchten die Gundelfinger den letzten Angriff herunterzuspielen und irgendwie den Ball ein letztes Mal zum Sieg ins Tor zu befördern. Bei einem Freiwurf fünf Sekunden vor Schluss war die Hoffnung eigentlich schon dahin, aber ein weiterer Kenzinger Spieler kam mit der Hektik und dem Gewicht des Spiels nicht zurecht, hielt immer wieder den nötigen Abstand in all der Hektik nicht ein und holte sich somit die vierte(!!!) rote Karte des Spiels ab und ermöglichte dem TVG dadurch mit dem Ablauf der offiziellen Spielzeit durch einen 7-Meter (so ist die Regel in der letzten Spielminute) die Chance, den möglichen Siegtreffer zu erzielen. Mittelmann und Ersatzschütze Simon trat an – bisher an diesem Tag 2/3 vom 7-Meterstrich – und verwandelte das Ding links oben aber ganz knapp am Torwart vorbei zum 35:36-Siegtreffer. Wie außer Rand und Band jubelte die anzahlmäßig kleine TVG-Mannschaft über diesen immens wichtigen Sieg und diese insgesamt heroische Leistung.
Dieser Last-Minute-Win beschließt ein weiteres legendäres Kapitel in der jungen Mannschaftshistorie und steht definitiv auf einem Level mit dem Heimsieg gegen Zähringen II vor einem Jahr, dem ähnlich spannenden Last-Minute-Win in Schopfheim diese Saison und dem 50-Tore-Sieg gegen Grenzach ebenfalls in dieser Saison. Solch ein Erlebnis lässt eine Mannschaft wachsen, schweißt das Team zusammen und macht sichtbar, was alles für dieses Truppe möglich ist.
Klar ist aber auch, dass vermutlich noch viele solcher Spiele anstehen werden und die Gundelfinger Spieler immer wieder an ihr Maximum gehen müssen, um die Gegner zu bezwingen. So auch gleich nach ganz kurzer Erholungspause gegen den HC Emmendingen am Donnerstagabend um 20:30h in heimischer Halle. Das Herrenteam freut sich über jeden Zuschauer, um solche Leistungen wie gegen Kenzingen mit den Fans im Rücken wiederholen zu können!